Der Kultur- und Unterhaltungssektor auf dem steinigen Weg aus der Pandemie
Das Bedürfnis der Bevölkerung nach Kultur und Unterhaltung ist groß – umso schwieriger gestaltet sich für viele Konsumenten die weitreichende Schließung von Kultur- und Freizeiteinrichtungen während der Lockdown-Phasen in Deutschland. Events wurden gleich zu Beginn der Coronakrise verboten und werden voraussichtlich zu den letzten Aktivitäten gehören die wieder zugelassen werden, für die Öffnung von Kulturbetrieben gilt Ähnliches. Wie schaffen es die betroffenen Betriebe aus der tiefen Krise, in die sie aufgrund der Pandemie stürzten?
In Bedrängnis
Um die Virusausbreitung einzudämmen, wurden seit März 2020 verschiedene Maßnahmen getroffen, unter denen insbesondere die Kultur- und Freizeitbranche bis heute leidet. So wurden zu diesem Zeitpunkt Großveranstaltungen verboten, kurze Zeit später auch Veranstaltungen jeglicher Art. Im Fokus dieser Maßnahmen lagen aufgrund der hohen Ansteckungsgefahr insbesondere große Messeveranstaltungen, jedoch waren auch andere Events wie Hochzeiten, Festivals und Konzerte betroffen.
Großangelegte Konzerte und Festivals waren über das ganze Jahr hinweg nicht erlaubt. Kleinere Anbieter wie Theater, Kinos und Kulturbetriebe wie Museen sowie Sportvereine durften im Gegensatz dazu über den Sommer hinweg ihren Betrieb immerhin mit reduzierter Teilnehmerzahl fortsetzen. Allerdings zahlte sich die Organisation von Musikveranstaltungen aufgrund der Begrenzung der Besucherzahlen für kleinere Anbieter kaum aus.
Der zweite Lockdown ab November 2020 traf die Branche hart, da viele Unternehmen ihre Rücklagen bereits aufgebraucht hatten. Viele, darunter insbesondere Kino- und Theaterbetreiber sowie Schausteller, hatten daher auf das lukrative Vorweihnachtsgeschäft gehofft, das jedoch ausfiel. Insgesamt wurde 2020 aufgrund der Beschränkungen deutlich weniger für Kultur und Unterhaltung ausgegeben als im Jahr zuvor. Besonders Kulturbetriebe, die nur kostendeckend wirtschafteten, kamen in finanzielle Not.
Überbrückungs- und Starthilfe
Zur Überbrückung sicherte die Bundesregierung die sogenannten November- und Dezemberhilfen zu, die jedoch bis heute laut Branchenverbänden nicht vollständig ausgezahlt wurden. Die Branchenakteure hoffen daher auch auf das Maßnahmenpaket Neustart Kultur. Dieses Hilfspaket schnürte die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien Monika Grütters für die Film- und Musikindustrie, Bibliotheken, Kunstgalerien, Museen, Konzert- und Theaterveranstalter sowie eine Vielzahl anderer Kulturbranchen. Ziel ist es, die Wiederaufnahme des Kulturbetriebs zu unterstützen, denn ein Neustart ist nach den drastischen Einschränkungen des Jahres 2020 nicht immer ohne Weiteres möglich.
Viele Veranstaltungen benötigen eine lange Vorlaufzeit, um erfolgreich durchgeführt werden zu können. So müssen Orchester oder Schauspielgruppen Auftritte frühzeitig konzipieren und proben. Auch die Veranstaltungstechnik muss rechtzeitig angeschafft werden. Der Kartenverkauf über Ticketing-Dienstleister muss ebenfalls einige Zeit vorher beginnen. Für Veranstaltungen, die im Spätsommer stattfinden sollen, muss beispielsweise schon jetzt mit der Planung begonnen werden. Doch viele Kultureinrichtungen haben nach dem Krisenjahr 2020 nur noch wenige Rücklagen und müssen sich gut überlegen, ob sie in die Organisation einer Veranstaltung investieren, deren Erfolg unsicher ist.
Zukunftsperspektiven
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat die prekäre Lage erkannt und möchte den Veranstaltern zusichern, dass für Kultur- und Freizeitveranstaltungen, die für die zweite Jahreshälfte 2021 geplant sind, ein Ausfallfonds im Falle einer Absage zur Verfügung steht. Diese Absicherungsmaßnahme soll die Betriebe dazu anregen, das Risiko einer Absage einzugehen und mit der Planung zu beginnen. Doch das Vertrauen in finanzielle Überbrückungshilfen ist aufgrund der späten Auszahlung der November- und Dezemberhilfen gering. Im Kultursektor hat sich eine große Unsicherheit verbreitet. Statt sich auf staatliche Hilfe zu verlassen, versuchen einige Branchenakteure daher, krisensichere Geschäftskonzepte zu erarbeiten.
Der Eventveranstalter und Ticketing-Dienstleister CTS Eventim strebt beispielweise die Zusammenarbeit mit staatlichen Instanzen an. So regelt dieser Anbieter die Impfterminvergabe in Schleswig-Holstein und Dortmund. Konzerthallen und Theater bieten ihre Räumlichkeiten in einigen Fällen für die Durchführung von Impfaktionen oder auch als Notunterkünfte für Obdachlose an. Verschiedene Konzerte und Festivals werden zudem als Stream angeboten und einige Sportvereine setzen auf Online-Kurse. Die Erschließung neuer Umsatzquellen mag bei der Überbrückung der Krise helfen, doch bleibt offen, ob sich daraus tragkräftige Geschäftsmodelle für die Zukunft herausbilden.
Fazit
Die temporäre Reduktion der Zahl kultureller Angebote kann gelingen, doch ein dauerhaftes Zurückfahren dieser Leistungen birgt das Risiko, dass das Angebotsspektrum für die Verbraucher schrumpft, da die Betreiber ihre Geschäftstätigkeit vom Kultur- und Unterhaltungssektor in andere Bereiche verlagern. Branchenverbände fürchten, dass es kleineren Anbietern den Todesstoß versetzen könnte, sollte sich die Wiedereröffnung der Kulturbetriebe in Deutschland noch weiter verzögern.
In diesem Bericht erwähnte Branchen:
J63.13DE Streamingdienste
R90.04aDE Theater- und Konzertveranstalter
R91.00 Bibliotheken, Archive, Museen, botanische und zoologische Gärten
N79.90DE Ticketing-Dienstleistungen
N82.30DE Messe-, Ausstellungs- und Kongressveranstalter
In diesem Bericht erwähnte Einflussfaktoren:
Einflussfaktoranalyse Konsumausgaben für Freizeitaktivitäten, Kultur und Unterhaltung