Derzeit herrscht weltweit ein Mangel an Halbleitern, der teils die Produktion nachgelagerter Branchen verzögert
Inmitten eines weltweiten Chipengpasses infolge der Coronavirus-Pandemie eröffnete das deutsche Unternehmen Bosch Anfang dieser Woche ein neues Werk in Dresden. Hierfür investierte Bosch rund 1 Milliarde Euro, was somit die größte Einzelinvestition in der Geschichte der Firma darstellt. Bereits Mitte 2022 sollen die ersten Chips verkauft werden. Halbleiter sind wichtige Bestandteile vieler verschiedener Produkte, von Autos über Computer bis hin zu Medizintechnikprodukten. Der derzeitige Engpass an Halbleitern hat daher signifikante Auswirkungen auf die unterschiedlichsten Branchen, wobei die Automobilindustrie besonders stark betroffen ist.
Abhängigkeit von Asien
Halbleiter werden heutzutage so gut wie überall verbaut, allerdings ist Europa in hohem Maße von der asiatischen und amerikanischen Halbleiterproduktion abhängig. Weltweit ist Taiwan der führende Produktionsstandort und deckt etwa zwei Drittel der globalen Auftragsfertigung ab. Die Herstellung der Halbleiter ist hoch spezialisiert, sodass kaum ein Hersteller die komplette Produktion übernimmt. Taiwan setzt hierbei auf sogenannte Foundries, die im Auftrag von anderen Unternehmen, wie beispielsweise Infineon, Halbleiterprodukte herstellen. Durch Versorgungsengpässe bei Rohstofflieferanten und Verzerrungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie kommt es aktuell zu Problemen bei der Lieferung von Halbleitern.
Pandemiebedingte Marktverzerrungen
Verschiedene Automobilhersteller mussten bereits ihre Produktion wegen des Mangels an Halbleitern drosseln, da sie sich zu sehr auf ihre Hauptzulieferer verlassen haben. So kündigte VW bereits an, künftig auch einen direkten Kontakt zu den Produzenten von Halbleitern herstellen zu wollen. Im Zuge der Coronavirus-Pandemie hatte die Autoindustrie mit einer längeren Krise gerechnet und die Bestellungen von Halbleitern reduziert, während gleichzeitig andere Branchen wie die Herstellung von Datenverarbeitungsgeräten, die Herstellung von Telekommunikationsgeräten oder die Herstellung von Geräten der Unterhaltungselektronik infolge der Verschiebung des Arbeitens und Lebens in das eigene Heim geboomt haben. Daraufhin wurde die Halbleiterproduktion entsprechend umgestellt, allerdings benötigt eine erneute Umrüstung zurück zu Produktionsstraßen für Autohalbleiter nun Zeit.
Europäische Förderung
Die Nachfrage nach Halbleitern steigt in Europa stetig an, sodass der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire Halbleiter bereits als das neue Erdöl bezeichnete, allerdings kommen die europäischen Chiphersteller derzeit zusammen lediglich auf einen weltweiten Marktanteil von 10 %. Dies soll sich nach dem Willen des EU-Binnenmarktkommissars Thierry Breton bis 2030 ändern und der Marktanteil soll sich auf 20 % verdoppeln, weshalb die Europäische Kommission plant, den Aufbau neuer Chipfabriken in Europa mit Milliardensummen zu fördern. Deutschland und Frankreich planen eine Halbleiterallianz im Rahmen eines Important Project of Common European Interest (IPCEI), durch das einerseits ausländische Investitionen gefördert werden sollen und andererseits bereits produzierende Unternehmen die Möglichkeit bekommen sollen, ihre Produktion zu erweitern. Die Europäische Kommission zieht als Lehre aus der Pandemie, Europa unabhängiger von Importen strategisch wichtiger Produkte zu machen, zu denen auch Halbleiter gehören.
Silicon Saxony
Deutschland könnte als Standort hiervon profitieren. So zieht Intel Deutschland als Standort für eine große Chipfabrik in Erwägung, macht das Projekt aber von staatlicher Förderung abhängig. Es spricht einiges für die Region Dresden, wo der Industrieverband Silicon Saxony ansässig ist, denn hier sind bereits rund 2.400 Unternehmen aus der Chipindustrie angesiedelt. Neben kleinen und mittelständischen Unternehmen machen auch Großkonzerne wie Infineon oder Globalfoundries, die bereits milliardenschwere Investitionen in der Region ankündigten, – und seit Beginn der Woche auch Bosch – die Region zum größten Halbleiterstandort in Europa. Die Nähe zu Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie die Einrichtung eines Clusters haben ebenso zur Entwicklung des Standorts beigetragen wie die Subventionen des Freistaats Sachsen und des Bundes.
Kurzfristig werden die Investitionen in Deutschland und Europa den derzeitigen Engpass wohl kaum beheben, doch wirken sie zukünftigen Lieferproblemen dieser Art entgegen. Europa will bei der Halbleiterproduktion unabhängiger von asiatischen Herstellern werden, doch sind die asiatischen Produzenten den europäischen Herstellern technisch derzeit weit überlegen. Daher wird die Chipproduktion in Europa voraussichtlich auf Investitionen ausländischer Chiphersteller angewiesen sein. Um Europa als Produktionsstandort attraktiv zu machen, ist die Europäische Union unter Umständen bereit, Subventionen in Milliardenhöhe zu zahlen.
In diesem Bericht erwähnte Branchen
C26.11DE Herstellung von elektronischen Bauelementen
C26.20DE Herstellung von EDV-Geräten und Zubehör
C26.30DE Herstellung von Telekommunikationsgeräten
C26.40DE Herstellung von Geräten der Unterhaltungselektronik