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  1. Analyst Insights

Die Unternehmensbewertung in Zeiten des stetigen Wandels – Ein Gespräch mit Wolfgang Kniest, Mitbegründer der EACVA

Die Unternehmensbewertung in Zeiten des stetigen Wandels – Ein Gespräch mit Wolfgang Kniest, Mitbegründer der EACVA

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Nina Koefler

Nina Koefler
Industry Research Analyst Published 17 Mar 2025 Read time: 5

Published on

17 Mar 2025

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5 minutes

Key Takeaways

  • Gegen Ende des Jahres 2024 wurde der IDW Standard für die Unternehmensbewertung in Deutschland einer Revision unterzogen. Die letzte Anpassung des Standards erfolgte im Jahr 2008. Bis Ende Mai 2025 läuft noch die Stellungnahmefrist.
  • Wolfgang Kniest ist Mitbegründer der European Association of Certified Valuators and Analysts (EACVA), dem Berufsverband für Unternehmensbewerter in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Die EACVA unterstützt ihre rund 1.100 Mitglieder beim brancheninternen Austausch und bietet Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
  • Gemäß der aktuellen Auflage des IDW ES 1 erfolgt eine Neugliederung der Wertkonzepte sowie eine Erweiterung der Funktionen und Rollen, in denen Unternehmensbewerter tätig werden können. Neben den bestehenden Rollen des neutralen Gutachters und des Beraters kommt nun auch die Funktion des neutralen Sachverständigen hinzu.
  • Die Neubewertung der externen Plausibilitätsbeurteilung fordert eine tiefgreifendere Markt- und Wettbewerbsanalyse, um ein Gutachten zu erstellen. In Zukunft dürfte dies eine noch stärkere Verschränkung der Branchenanalyse mit der Unternehmensbewertung zur Folge haben. Die EACVA gewährt ihren Mitgliedern in Partnerschaft mit IBISWorld bereits Zugriff auf externe Branchen- und Marktanalysen.

Seit November 2024 liegt für die Unternehmensbewertung in Deutschland eine Neufassung des IDW Standards, der IDW ES 1, vor. Der Entwurf enthält unter anderem eine Neugliederung der Wertkonzepte und Funktionen in der Unternehmensbewertung. Bis Ende Mai läuft die Stellungnahmefrist zur Neufassung. Was sich konkret für die Unternehmensbewertung ändert und welche Rolle IBISWorld in diesem Kontext einnimmt, darüber hat sich IBISWorld mit Wolfgang Kniest, Mitbegründer und Geschäftsführer der EACVA - dem deutschen Berufsverband für Unternehmensbewerter, unterhalten.

Eine Unternehmensbewertung ist zur Festlegung eines Unternehmenswertes oder einer Bandbreite von Unternehmenswerten erforderlich

Die Unternehmensbewertung befasst sich, wie der Name bereits suggeriert, mit der Bewertung von ganzen Unternehmen oder Unternehmensanteilen und wird zum Beispiel in der M&A beziehungsweise Corporate Finance Beratung, der Wirtschaftsprüfung oder Steuerberatung eingesetzt. Eine Unternehmensbewertung ist dann notwendig, wenn Unternehmen fusionieren oder übernommen werden sollen und ein Abfindungsbetrag für die ausscheidenden Minderheitsgesellschafter gefunden werden muss. Auch im Familien- und Erbrecht, wenn es bei Scheidungen oder Erbschaften zu einem Pflichtteilsausgleich kommt, muss zuvor eine Wertermittlung erfolgen. Bei Schenkungen oder Erbschaften ist darüber hinaus auch der gemeine Wert für steuerliche Zwecke zu ermitteln.

Neben den rechtlichen Bewertungsanlässen werden Unternehmensbewertungen auch für interne Zwecke wie beispielsweise zur Ermittlung von Firmenwerten im Rahmen der Bilanzierung, zur Bewertung von immateriellen Vermögenswerten wie Marken und Patenten oder zur Festlegung neuer Unternehmensziele und -strategien im Zuge von Unternehmensumstrukturierungen benötigt.

Ganz unabhängig vom Bewertungsanlass geht es laut Herrn Kniest jedoch immer darum, dass Unternehmensbewerter am Ende eine Geldgröße ermitteln müssen. „Bei ausschließlich finanziellen Zielsetzungen wird der Wert häufig aus der Perspektive von typisierten Bewertungssubjekten, das sind die typisierten Eigentümer, die wir unterstellen, ermittelt.“ Dabei muss am Ende dem Eigenkapitalanteil eines Unternehmens ein bestimmter Geldbetrag zugeordnet werden.

Der IDW Standard legt die Blaupause vor

Grundlage der Bewertung sind zukünftige zu erwartende finanzielle Überschüsse aus dem Unternehmen. Um zu diesem Wert zu gelangen, muss der Unternehmensbewerter im Rahmen einer formellen und materiellen internen Plausibilitätsbeurteilung Jahresabschlüsse, Bilanzen, Gewinn- und Verlustrechnungen, Vermögenswerte sowie eine gegebenenfalls vorliegende Managementplanung analysieren.

Im neuen IDW ES 1 wird betont, dass eine vorliegende Managementplanung die Ausgangsbasis zur Erstellung einer plausibilisierten Zukunftserfolgsplanung durch den Wirtschaftsprüfer ist. Der IDW ES 1 ist ein vom Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland herausgegebener Standard und dient als wichtige Leitlinie für alle durch Wirtschaftsprüfer durchgeführten Unternehmensbewertungen in Deutschland.

Neben der formellen und materiellen internen Plausibilitätsbeurteilung muss auch eine materielle, externe Plausibilitätsbeurteilung erfolgen, die Markt- und Wettbewerbsanalysen, das allgemeine Geschäftsklima, M&A-Aktivitäten und aktuelle Themen wie Nachhaltigkeitsbestrebungen in die Bewertung einbezieht. In der Konsequenz werden im Zuge eines Bewertungsprozesses eines Unternehmens sehr umfassend betriebs- und volkswirtschaftliche, interne und externe Einflussfaktoren und Werttreiber der Geschäftsmodelle untersucht.

Die EACVA unterstützt ihre Mitglieder bei der Umsetzung der neuen Bewertungsmaßnahmen

Die Vielschichtigkeit und Komplexität der Unternehmensbewertung hat auch Wolfgang Kniest von Anfang an fasziniert. Er ist Mitbegründer der EACVA, dem einzigen deutschen Berufsverband der Unternehmensbewerter. Die EACVA ist Teil der Global Association of Certified Valuators and Analysts und hat allein im deutschsprachigen Raum mehr als 1.100 Mitglieder. 2025 feiert der deutsche Berufsverband sein 20-jähriges Bestehen.

Die EACVA vergibt europaweit die international anerkannte Zertifizierung zum Certified Valuation Analyst (CVA). Darüber hinaus bietet der Verband Unterstützungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten in Form von Fachveröffentlichungen, Seminaren und Konferenzen an. Der Höhepunkt der Verbandsaktivitäten ist die jährlich stattfindende zweitägige Bewerterkonferenz mit zahlreichen Workshops und Plenarvorträgen, die jährlich über 400 Teilnehmer anzieht. Aktuell begleitet der Verband seine Mitglieder auch bei der Umsetzung der neuen Anforderungen des IDW ES 1.

Wolfgang Kniest, Geschäftsführer der EACVA GmbH

Die Neufassung des IDW ES 1 bringt die neue Funktion des neutralen Sachverständigen mit sich

Was genau hat sich mit der Neufassung des IDW Standards geändert? Laut Herrn Kniest handelt es sich bei dem neuen Entwurf nicht um punktuelle Änderungen, sondern um eine komplette Überarbeitung des Bewertungsstandards.

Neu ist, dass neben dem objektivierten Wert, der aus Sicht des typisierten Eigenkapitalgebers ermittelt wird, der plausibilisierte Entscheidungswert als neues Wertkonzept eingeführt wird, bei dem die Bewertung aus Sicht eines bestimmten Entscheidungsträgers erfolgt. Dieser soll den subjektiven Unternehmenswert im aktuellen IDW S1 (2008) ersetzen.

Der objektivierte Unternehmenswert wurde inhaltlich weiterentwickelt. Dies betrifft insbesondere die Möglichkeit, unter bestimmten Umständen künftige Maßnahmen zu berücksichtigen, wenn diese aus Sicht der typisierten Eigenkapitalgeber zu erwarten sind. Eine weitere wesentliche Neuerung ist, dass, je nach Umfänglichkeit der Plausibilitätsbeurteilung, nun drei unterschiedliche Funktionen eingenommen werden können: der neutrale Gutachter, der neutrale Sachverständige und der Berater.

Bei einer vollumfänglichen Plausibilitätsbeurteilung, die alle drei Ebenen (die formelle, die materielle interne sowie die materielle externe Plausibilitätsbeurteilung) umfasst, um den objektivierten Wert oder den plausibilisierten Entscheidungswert eines Unternehmens zu ermitteln, kann die Funktion des neutralen Gutachters eingenommen werden. Das Ergebnis ist dann ein Gutachten zum Unternehmenswert.

Sind hingegen für die Beurteilung wesentlicher Annahmen bestimmte Informationen nicht zugänglich oder auftragsgemäß nicht oder nur in eingeschränkter Tiefe zu beurteilen, aber es ist trotzdem insgesamt eine ausreichende Plausibilitätsbeurteilung möglich, so kann der Wirtschaftsprüfer in der neuen Funktion eines neutralen Sachverständigen eine Stellungnahme zum objektivierten Wert oder plausibilisierten Entscheidungswertes abfassen. Die Beschränkungen der Plausibilitätsbeurteilung sind in der Stellungnahme offenzulegen.

„Bei der Unterscheidung einer vollumfänglichen oder ausreichenden Plausibilitätsbeurteilung betont der IDW die Eigenverantwortlichkeit des Wirtschaftsprüfers.“

Definierte Anwendungsbereiche in der Praxis gibt es nicht. So dürften insbesondere bei gesellschafts-, aber auch familien- und erbrechtlichen Bewertungsanlässen wie Abfindungen weiterhin Gutachten mit vollumfänglichen Plausibilitätsbeurteilungen benötigt werden. Bei Bewertungsanlässen in der Bilanzierung oder bei steuerlichen Bewertungsanlässen könnten jedoch in Zukunft Stellungnahmen mit ausreichender Plausibilitätsbeurteilungen eingesetzt werden.

Im Transaktionsumfeld ist zu vermuten, dass es vermehrt Stellungnahmen als neutraler Sachverständiger oder sogenannte Wertberechnungen als Berater geben wird. In der Beratungsfunktion trägt der Auftraggeber die Verantwortung für die Planungsrechnung und das Ergebnis einer Wertberechnung ist dann lediglich ein Wert in Anlehnung an die methodischen und rechnerischen Grundsätze der objektivierten Unternehmensbewertung oder des plausibilisierten Entscheidungswertes.

Eine tiefreichende Marktanalyse bedarf externer Expertise

Mit der Neufassung des IDW Standards wird die Bedeutung von Planungsplausibilisierungen weiter betont. Um eine vollumfängliche Plausibilitätsbeurteilung zu generieren und ein Gutachten zu erstellen, ist eine tiefgründige Marktanalyse sowie Analyse der Wettbewerber, also ein Benchmarking für die materielle, externe Plausibilität, Voraussetzung. Für diese Informationen müssen Unternehmensbewerter und Wirtschaftsprüfer regelmäßig auf unternehmensexterne Informationsquellen zurückgreifen.

 Nach Herrn Kniest „werden wir künftig noch weitaus stärker externe Benchmarking-Informationen von Wettbewerbern und Informationen aus der Perspektive der Branche sowie Analystenschätzungen benötigen“.

Die EACVA bietet in diesem Zusammenhang umfassende Unterstützung, indem sie öffentlich zugängliche Informationen recherchiert, sammelt und seinen Mitgliedern zur Verfügung stellt. Darüber hinaus werden nicht öffentlich zugängliche Informationen und Materialien über Kooperationspartner wie IBISWorld zur Verfügung gestellt, auf deren Branchenreporte die EACVA-Mitglieder exklusiven Zugriff haben. Die von IBISWorld zur Verfügung gestellten Branchen- und Marktkenntnisse ermöglichen es den Unternehmensbewertern, umfassende externe materielle Plausibilitätsbeurteilungen zu erstellen, um die neuen Kriterien für die Erstellung von Gutachten zu erfüllen.

Final Word

Die Neufassung des IDW Standards bringt eigene Herausforderungen und Chancen für Unternehmensbewerter mit sich. Die Eigenverantwortlichkeit des Wirtschaftsprüfers wird explizit herausgestellt. Externe Markt- und Wettbewerbsinformationen werden zur Ableitung einer sachgerechten Zukunftserfolgsplanung weiter an Bedeutung gewinnen, was in Zukunft eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Unternehmensbewertern und externen Branchen- und Marktexperten wie IBISWorld erfordern wird.

Die Stellungnahmefrist für die Neufassung des IDW ES 1 endet Ende Mai 2025. Bis dahin wird auch die EACVA von ihren Mitgliedern Feedback einholen. Nach Sichtung der Stellungnahme will das IDW die finale Version des neuen IDW S1 veröffentlichen. Ein genauer Termin steht aktuell jedoch noch nicht fest.

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